Körperkult und Schönheitswahn Schönheit - Erfolg - Macht


 Ich mache mich nicht schön, um anderen zu gefallen, sondern für mich selbst. Es ist wichtig, dass ich mir gefalle und nicht den anderen. Das ist eine typische Antwort auf die Frage, was es bedeutet, sich schön zu machen. In einer sozialwissenschaftlichen Studie wurde mit insgesamt 160 Teilnehmern (31 Gruppen) unterschiedlichen Alters, Geschlechts, sozialer Herkunft und sexueller Orientierung darüber diskutiert.


Menschen machen sich schön für sich selbst, nicht für andere. Zumindest sollte es so erscheinen. Die Frauenzeitschrift Brigitte - und sie sollte es wissen - fand in einer Umfrage aus dem Jahr 2001 heraus, dass 94 Prozent der 28.000 befragten Frauen sich schön machen, um sich wohler und selbstsicherer zu fühlen (1978 waren es bei 27.000 Befragten 79 Prozent). Nur drei Prozent wollten anderen gefallen (1978 waren es 14 Prozent). Diese Zahlen sind jedoch nicht glaubwürdig. Denn die Aussagen sagen vor allem etwas darüber aus, was die Befragten für eine sozial erwünschte Antwort halten. Kein Wunder: Das Eingeständnis, sich für andere schön zu machen, wäre für viele eine Bankrotterklärung und wird daher bewusst vermieden. Es kann auch nicht daraus geschlossen werden, dass Frauen ein gewachsenes Selbstbewusstsein entwickelt haben und unabhängig von der Meinung anderer geworden sind. Wenn man die Aussagen der Befragten eins zu eins nehmen würde, besteht die Gefahr, reinen Ideologiekonstruktionen aufzusitzen. Es hilft auch nicht viel, wenn die Antworten pseudowissenschaftlich bis auf zwei Stellen hinter dem Komma berechnet und ausgewertet werden.


Offensichtlich wollen wir andere Menschen glauben lassen, dass wir über gängige Schönheitsstandards erhaben sind. Und wir glauben, dass vor allem Frauen sich schön machen - trotz einiger trendy gestalteter Zeitschriften für lebensstilorientierte Männer mit natürlich aussehender Sonnenbankbräune und Waschbrettbauch. Zu guter Letzt sind wir davon überzeugt, dass der ganze Zauber um Schönheit auch Spaß macht: Schönheit ist machbar und etwas Schönes zu tun, ist eine lustvolle Angelegenheit. Tatsächlich ist es jedoch ganz anders: Sich schön machen ist keine Privatangelegenheit und keineswegs nur Sache der Frauen. Und all das hat auch nichts mit oberflächlichem Spaß zu tun: Sich schön machen ist manchmal harte, erfolgsorientierte Arbeit, die bis in tiefere Identitätsschichten vordringt. Es geht viel tiefer, als oberflächlich geführte Debatten über das Für und Wider des Schminkens, Frisierens, Anziehens, Rasierens, Piercens oder auch Operierens vermuten lassen.


Beim Schönmachen geht es nicht um Schönheit im eigentlichen Sinne und schon gar nicht um die Frage, was schön (oder hässlich) ist. Es handelt sich um das pure "Schönheitshandeln" - als ein Medium der Kommunikation, das dazu dient, die eigene äußere Wirkung zu inszenieren, um Aufmerksamkeit zu erregen und die eigene Identität zu sichern. Schönheitshandeln bedeutet, sich sozial zu positionieren. Im Gegensatz dazu bezieht sich der normativ verwendete Begriff Schönheit auf Massenmedien produzierte und alltagsrelevante Auffassungen davon, was Schönheit als Norm im medial-öffentlichen Diskurs im Gegensatz zum Nicht-schönen oder Hässlichen sein sollte. Beim "Schönheitshandeln" dagegen interessiert nicht das ästhetische Urteil der Zuschauer, sondern der Erfolg bei der Anerkennung. Gelingt es beispielsweise einer Frau mit gelbem Irokesenschnitt, abgenutzter Lederjacke, Nasenring und mit Sicherheitsnadeln versehenen Jeans Fetzen, spießige Durchschnittsmenschen auf der Straße zu schockieren, hat sie ihr Ziel erreicht: Sie weiß, zu welcher Gruppe sie gehört und von wem sie sich abgrenzen muss. Schönheitshandeln ist ein sozialer Prozess, in dem Menschen versuchen, soziale (Anerkennungs-)Effekte zu erzielen. Dabei stehen Werte wie Individualität, Autonomie und Authentizität im Vordergrund. Dies kann durchaus als Erbe der Aufklärung interpretiert werden. Denn die Vorstellung, dass es überhaupt so etwas wie eigenständige Individuen gibt, dass es etwas "Unteilbares", nämlich Individualität gibt, basiert auf einem zentralen Glauben der Aufklärung: der Mensch ist für sein eigenes Leben selbst verantwortlich, er kann es selbst in die Hand nehmen und gestalten.

Diese Verschiebung der Verantwortung von Gott und Schicksal auf das Individuum betraf auch die Seele und den Körper, das Wohlbefinden und den Eindruck, den man aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes vermittelt. Die Schönheit wird somit auch zu einer Strategie sozialer Macht und sozialen Erfolgs - zumindest ein Versuch davon. Im Folgenden möchte ich einige Komponenten dieses Schönheitshandelns vorstellen.


Der Glaube an den Handel mit individueller Schönheit

Die Behauptung, dass das Motiv hinter dem Streben nach Schönheit das eigene Wohlbefinden sei und man es letztendlich für sich selbst tue, ist eine sehr effektive Glaubenssatz. Ich bezeichne dies als Ideologie des Schönheitshandelns als eine persönliche Angelegenheit. Der Begriff Ideologie bedeutet hierbei, dass es einen Widerspruch zwischen den Darstellungen sozialer Akteure und ihrer eigenen Praxis gibt. Ihre Erklärungen sollten daher nicht wortwörtlich genommen werden, auch wenn sie keineswegs mit Absicht zur Täuschung gleichzusetzen sind. Im eigentlichen Sinne ist der überwiegende Teil der Höflichkeitsarbeit tatsächlich eine Lüge: Wann interessiert sich der flüchtige Bekannte auf der Straße wirklich für das Wohlbefinden der Gegrüßten, wenn er fragt "Hallo, wie geht's?"? Die Aussage "Ich mache mich für mich schön" ist ideologisch, denn sie, wie der Soziologe Erving Goffman es ausdrückt, gehört zum gesellschaftlich notwendigen Eindrucksmanagement, um als autonom und selbstbewusst zu erscheinen. Schließlich steigert das Streben nach Schönheit vor allem das individuelle Wohlbefinden und Selbstvertrauen.

"Ich denke auch, wenn man sich schminkt, dass man sich, also ich persönlich nehme jetzt Wimperntusche oder manchmal Kajal oder etwas anderes, aber das tue ich wirklich für mich selbst, also nicht für andere oder für Männer oder irgendetwas anderes, sondern wirklich für mich selbst, weil ich mich dann wirklich, also mich selbst, wiedererkenne, irgendwie so." (24-jährige Berufsschülerin) Diese Antwort ist normativ verankert: Eine oft beschworene "innere Schönheit" steht für Authentizität und Selbstbewusstsein, während äußere Schönheit auf einen Mangel desselben hinweist und die Trägerin zur hirnlosen Barbiepuppe degradiert, die sich schön macht, um charakterliche Mängel auszugleichen (so einige Fotomodelle und Berufsschülerinnen in zwei Gruppendiskussionen). Dies würde ein Eingeständnis des mangelnden Selbstbewusstseins bedeuten. Und damit möchte man selbst am allerwenigsten assoziiert werden. So konstruiert die zitierte Sprecherin auch munter ein widersprüchliches Bild ihres Tuns.


Also, ich finde immer, dass die meisten Leute eigentlich selbst sagen, und das ist auch das, was ich vertrete. Aber zum Beispiel, wenn ich jetzt an heute denke, werde ich meinen Freund in zwei Stunden vom Bahnhof abholen. Ich habe mich vorhin geduscht und meine Haare schön gemacht, weil er kommt. Und ja, das gebe ich auch zu, wenn ich weiß, dass ich Besuch bekomme, mache ich mich auch schön für den Besuch. Aber im Großen und Ganzen mache ich mich für mich schön. Die Behauptung des privaten Schönheitshandelns ist also falsch. Das Motiv dafür, sich einem mitunter brutalen Schönheitskult zu unterwerfen, der die Beteiligten in ein enges Korsett von Schlankheit, Jugend, Attraktivität, Sportlichkeit, Gesundheit und Leistungsfähigkeit schnürt, ist gesellschaftliche Anerkennung. Dabei wird der Körper gestylt, kontrolliert und geformt, bis er dem Ideal der erfolgreichen Schönen aus der Werbung entspricht - was meistens nicht gelingt. Schönheit ist ein entscheidender Teil des Eindrucks, den Menschen nach außen transportieren wollen. Schönheit wird kommuniziert, und Schönheitshandeln ist die Grundlage dafür, dass genau dies geschehen kann. Gleichwohl wird dies unter dem Banner des autonomen Handelns erledigt. So ist für sechs Berufsschülerinnen einer Tourismusakademie im Alter von 19 bis 23 Jahren nichts bedrohlicher als der Verdacht, dass sie sich für Männer schön machen könnten. Sie verwenden viel Energie darauf, nicht als an männlichen Schönheitsidealen orientiert zu erscheinen, und ihre Abwehr, Abspaltung oder Verdrängung besteht genau darin, dass sie praktizieren, was sie kritisieren.


Die Ideologie des Handelns von weiblicher Schönheit.

The assumption that it is once again only women who subject themselves to the male beauty dictate and make themselves beautiful would be incorrect. This is historically inaccurate. In classical Greece, for example, the male body was considered more attractive - "adonis-like" means beautiful. To evaluate beauty as a feminine matter is a modern attribution. Until the early 18th century, for example, gender differentiation in fashion was less important than differentiation by class. Acting on beauty is indeed a means of differentiating genders, but by no means exclusively a women's issue. Not only feminists have been denouncing for decades an almost brutal beauty cult that constricts women in a narrow corset of slimness, youth, attractiveness, athleticism, health, and performance. Today, the outer appearance has become pluralistic, and manipulation of the body has become an act of freedom to experiment with what is possible. So it is only fair that the beauty and wellness wave has now also reached men. Not only brainless muscle mass, but a well-shaped and well-trained body without excess fat, like that of James Bond actor Daniel Craig, is what trend magazines and fitness gurus preach today in their millions. And so, this case is also somewhat more complicated.


A: "It's just really important for me, mainly for myself, that I like how I look, the others don't really have anything to do with it, I do it for myself." B: "For example, I go to the gym, not extremely often, but it's important for me to do something for my body, because I'm into that kind of thing." C: "If you have your eye on someone, then of course you always try to please them and make an effort." These statements come from a discussion with eight gay men aged 21 to 24. Initially, they represent the idea of private beauty practices, but as the discussion progresses, they admit that their beauty practices are oriented towards other men. Three other discussions with primarily gay men reveal a similar picture: other men are a legitimate target of male beauty practices, which is nothing to be ashamed of. A group of five gay volleyball players aged 31 to 39 view men's self-care as a sign of recognition and respect for others. This does not mean losing self-confidence or becoming slaves to societal - in this case: gay - norms. Beauty practices are a means of initiating contact, and here the different evaluation of beauty practices between heterosexual women and gay men reveals a piece of different socialization: initiating contact was traditionally exclusively the prerogative of men, while women had to wait to be asked (not only at the final dance of the dance class). Gay men, like heterosexuals, are socialized as men and therefore consider it normal to actively engage in partner search - in this case, with the help of beauty. Many heterosexual women reject it, but still practice it, while many gay men practice it and consider it good. Because what they find attractive, they also bring into the market of partner selection themselves.


Aus dieser Perspektive wird deutlich, dass Schönheitshandeln darauf ausgerichtet ist, männlichen Attraktivitätserwartungen zu entsprechen. Eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Handeln im Schönheitsbereich ist die allgemein akzeptierte Vorstellung von männlicher Attraktivität, die für die Dominanz der Männlichkeit steht. Ein katholischer Burschenschafter äußert sich dazu: "Es muss eine gewisse äußere Attraktivität klar erkennbar sein." Ein Fotomodell aus Russland erklärt diese vermeintlich akzeptierte Attraktivitätserwartung der Männer anhand der sozialen Strukturen: Da es in Russland aufgrund der Kriege in Afghanistan und Tschetschenien einen Männermangel gibt, "muss man konkurrenzfähig bleiben, um überhaupt einen Partner zu finden!". In einem solchen Wettbewerb reicht nur Perfektion aus, sonst muss eine Frau sich mit einem unattraktiven Mann zufriedengeben: "Wenn du dich gehen lässt, kommt jemand Attraktiveres und nimmt dir deinen Mann weg. So einfach ist das." Das Werben um Männer wirkt wie ein Kampf, und dieser Kampf wird über Schönheitshandeln ausgetragen und entschieden - so einfach ist das.


Natürlich ist es nicht so einfach. Die äußerliche Wirkung ist heute gesellschaftlich wichtiger als noch vor zwanzig, dreißig Jahren. Männer sind davon nicht ausgenommen. Ein Bundeskanzler wie Helmut Kohl zum Beispiel wäre heute kaum noch vermittelbar, allein schon deshalb nicht, weil er nicht dem heutigen Bild eines dynamischen "Machers" entspricht. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel steht ständig unter öffentlicher Beobachtung. Natürlich haben sich die Regeln verändert - der Aufstieg der CDU-Generalsekretärin zur Kanzlerin wurde durch die Professionalisierung des Make-ups und einen typischen Look erfolgreicher Karrierefrauen unterstützt, wie zum Beispiel eine Frisur ähnlich der von Sabine Christiansen.


Gemäß den Ergebnissen sozialpsychologischer Studien haben attraktive Menschen (basierend auf der statistischen Mehrheitsdefinition von Schönheit) mehr Erfolg in der Liebe, im Beruf und im Allgemeinen im Leben. Attraktive Menschen wirken sympathischer und ziehen andere Menschen an und in ihren Bann. Sie haben größere Chancen bei der Auswahl von Partnern und Partnerinnen, bessere Aufstiegsmöglichkeiten im Beruf und verdienen mehr Geld. Schönheit ermöglicht soziale Macht, dient der Inszenierung und verkörpert den Status. Es ist daher äußerst rational, wenn Menschen Behandlungen, Operationen, Diäten, Training und Entspannung gezielt einsetzen, um ihre Schönheit zu steigern.


Die Ideologie des scheinbaren Schönheitshandels

Spätestens damit wird eine weitere Ideologie als Unsinn erwiesen. Gemäß der Ideologie des "Spaßhandelns" ist Schönheitshandeln mit Kreativität, Freude und Lust verbunden - es macht Spaß. Aber auch hier bricht der Schein des Lustvollen schnell zusammen. Es heißt: "Wer schön sein will, muss leiden". Man wird nie fertig, braune Haut zu haben, ohne dabei gesundheitliche Risiken einzugehen, und das richtige Schminken erfordert Übung und Geschicklichkeit. Deshalb lassen einige lieber die Finger davon. Dieser Zwangs- bzw. Arbeitsaspekt hat eine protestantische Note: ohne Arbeit keine Belohnung. Das sagen einige auch offen: "Also ich kann Schönheit nur dann empfinden, wenn ich etwas getan oder dafür gemacht habe". Daher sind auch sportliche Körperprogramme wie Joggen, Bodybuilding, Gymnastik oder gesunde Ernährung funktionale Äquivalente zum Schminken bzw. zur Fassadenpflege mit Make-up und Kajal: Schönheitshandeln ist Arbeit und kein hedonistischer Akt des Sich-gut-gehen-Lassens.


Heutzutage ist es unerlässlich, Schönheit als Instrument zu nutzen, insbesondere für Prominente, Politikerinnen und Politiker sowie professionelle Schauspielerinnen und Models, für die das Aussehen von großer Bedeutung ist. Ihre Fähigkeit, ihre eigene Wirkung auf andere erfolgreich inszenieren zu können, kann als erfolgsorientiertes Handeln beschrieben werden: Wer sich schön macht, erhöht seine Chancen auf Erfolg, und das Streben nach Schönheit wird als Versuch gesehen, soziale Macht zu erlangen. Dies spiegelt sich auch in der Bedeutung von Schönheit im beruflichen Leben wider: Es geht nicht nur darum, eine Rolle zu spielen, sondern sie zu verkörpern, wobei immer mehr Aspekte eines einst rein äußerlichen Verhaltenskodexes in den Körper integriert werden.


Soziale und integrative Fähigkeiten werden immer wichtiger, der sachliche Austausch wird zunehmend zu einem sozialen Austausch umgewandelt und zur Absicherung werden die Gefühle und Motivationsstrukturen der Mitarbeiter genutzt. Die ganze Person wird gefordert, ihre Fähigkeiten dokumentieren sich in verkörperten Kompetenzen. Dies hat bereits Eingang in die "große Gesellschaftstheorie" gefunden. Der Soziologe Luc Boltanski und die Ökonomin Eve Chiapello beschreiben einen neuen "Geist des Kapitalismus", in dem Mobilität, Selbstverantwortung und Aktivität zu zentralen Erfolgsfaktoren geworden sind, die sich bis in den Körper von cleveren Managern und "Betriebsathleten" erstrecken (keine explizite Erwähnung von Frauen). Attraktivität steigert die Motivationskraft und dies entspricht auch dem neuen Führungsideal: motivieren, Begeisterung ausstrahlen, mitreißen. Ein übergewichtiges und kurzatmiges Griesgram möchte man sich hier nicht vorstellen.


Erfolg muss von der Gesellschaft akzeptiert werden und ist daher immer mit einer sozialen Stellung verbunden. Insbesondere gruppen- und milieuabhängige Normen beeinflussen dies: Erfolgreich zu sein bedeutet nicht nur, einen attraktiven Partner zu bekommen oder einen angesehenen Job zu ergattern. Erfolg bedeutet auch, dass andere dies anerkennen und ständig bestätigen.

Schönheitsverhalten ist daher auf eine andere, viel deutlichere Art erfolgsorientiert als der politisch unkorrekte Ausdruck jemanden "zu bekommen" impliziert. Eine Gruppe von diskutierenden Bodybuildern im Alter von 22 bis 56 Jahren weiß zum Beispiel, dass Personalchefs (weibliche Chefs tauchen dabei nicht auf) attraktive Menschen bevorzugen. Deshalb nutzen sie Schönheitsverhalten auch als ein Mittel, um sich im Konkurrenzkampf zu behaupten. Denn Körperarbeit führt zu einem größeren Selbstbewusstsein und das ist wiederum in beruflichen Kontexten wie zum Beispiel im Außendienst eine notwendige Voraussetzung.


Wenn das gesellschaftliche Schönheitsideal und das berufliche Anforderungsmodell zusammenfallen, dann handelt es sich beim Bodybuilding um eine bewusste und langfristige Anpassung an gesellschaftliche Normen. Eine ähnliche Vereinbarung mit der Wirkung gesellschaftlicher Schönheitszwänge hat eine Gruppe von fünf katholischen Burschenschaftern im Alter von 23 bis 26 Jahren getroffen. Für sie ist der Anzug ein Symbol für männliches Schönheitshandeln: "Gute Kleidung und ein gepflegtes Aussehen sind ein Zeichen von Respekt gegenüber anderen Menschen." Der Anzug repräsentiert Männlichkeit. Er erleichtert das Passieren von Polizeikontrollen, man wird höflicher im Zug behandelt, im Café wird man aufmerksamer bedient und auch im Telekommunikationsladen wird man schneller bedient. Der Anzug ist auch praktisch, da er wie eine Uniform einfach anzuziehen ist und Männer sich nicht so viele Gedanken über ihr Outfit machen müssen - was von einigen Lesbengruppen neidisch betrachtet wird. Kein Wunder: Dunkle Anzüge sehen Jahr für Jahr gleich aus, während Frauen sich jede Saison ein neues Outfit zulegen müssen. Wenn Frauen es sich so einfach machen würden wie Männer, würden sie als unweiblich angesehen.


Es wird deutlich, dass Schönheitshandeln Arbeit ist, auch in Diskussionen vorwiegend lesbischer Frauen, die ebenso den Erwartungen an männliche Attraktivität unterworfen sind, jedoch diesbezüglich in Bezug auf die Beziehungskomponente keinen Zwang empfinden. Für viele von ihnen beschränkt sich Schönheitshandeln als Arbeit auf berufliche und öffentliche Zusammenhänge jenseits einer sexuellen Konnotation.

"Also, ich trenne da auch so zwischen dem offiziellen Äußeren und dem privaten Äußeren. Und für mich verbinde ich das geschminkte Äußere mit etwas Offiziellem und Künstlichem. Und das Private, das bin halt ich." (Lesbische Angestellte) Ein Grund für diese Auffassung ist der unverhältnismäßige Aufwand, der mit kompetentem Schönheitshandeln verbunden ist: Man muss Zeit und Geld investieren, sich an männlichen Schönheitsnormen orientieren, und das widerspricht dem, wofür Lesbischsein steht. Die sieben Frauen eines Tanzkurses, zwischen 23 und 34 Jahren alt, möchten nicht den Verdacht aufkommen lassen, dass ihre berufliche Anerkennung nicht auf fachlicher Kompetenz beruht, sondern durch äußerliche Schönheit "erschlichen" wurde.

Dies kann sicherlich als eine Art Protest betrachtet werden: Die Frauen sind sich bewusst, dass Schönheit mit Macht verknüpft ist und dass schöne Menschen es in der Gesellschaft leichter haben, aber sie möchten sich selbst treu bleiben, Grenzen ausloten oder im Fall von Zweifeln in andere Berufe wechseln.


Handeln für Erfolg und Kompetenz im Bereich Schönheit

Schönheitshandeln, das auf Erfolg ausgerichtet ist, ist nicht nur Arbeit, sondern erfordert auch Kompetenz. Kompetenz in Bezug auf die Fähigkeit und das Vermögen, bestimmte Anforderungen zu erfüllen oder selbstgesteckte Ziele zu erreichen, ist zu einer modernen Voraussetzung geworden, um in der Gesellschaft überlebensfähig zu bleiben. Um das schönheitshandelnde Verhalten mehr oder weniger erfolgreich in Szene zu setzen, ist es Voraussetzung, die gesellschaftlichen Erwartungen an angemessenes Schönheitsverhalten zu kennen: Schönheitshandeln ist eine "Sprache", die in den Bereichen von Distanz und Nähe, Sachlichkeit und Erotik, Professionalität und Freizeit in verschiedenen Dialekten gesprochen wird. Wenn Wahlprogramme hinter aufgeputzten und medial inszenierten Kanzler- oder Präsidentschaftskandidaten und -kandidatinnen verschwinden, kann Schönheitshandeln als Kompetenz betrachtet werden, die zunehmend die Leistung oder - neutraler formuliert - inhaltliche Kompetenzen überlagert. Zumindest drei Komponenten kompetenten Schönheitshandelns bzw. der Schönheitskompetenz möchte ich hier herausgreifen: die wachsende Bedeutung des Körpers (statt Kleidung), Jugendlichkeit und Natürlichkeit.

Körper und Kleidung: Schönheitsverhalten umfasst Maßnahmen zur Veränderung und Inszenierung des Körpers sowie die Gestaltung von Körperbedeckungen, also der Kleidung. Mit der Aufwertung des Körpers (bei gleichzeitiger Abwertung körperlicher Arbeit) geht ein Bedeutungsverlust der Kleidung einher: Wenn Kleidung nicht mehr ausreicht, um schön zu sein, muss der Körper herangezogen werden. Entsprechend betrifft das Modediktat nicht mehr nur die Kleider, sondern auch die Körper. Letztere werden gestählt, entspannt, geliftet, gepierct, tätowiert oder aufgespritzt. Die Anzahl der Schönheitsoperationen steigt, beispielsweise durch Fettabsaugungen, gefolgt von Brustoperationen und Nasenkorrekturen - mit steigender Tendenz. Der Körper unterliegt dem Leistungsdenken in viel stärkerem Maße als die Kleidung, die beliebig gewechselt werden kann. Veränderungen am Körper brauchen Zeit und können oft schwer oder gar nicht rückgängig gemacht werden. Vor allem Bodybuilderinnen und -builder und Models zeigen, dass dafür ganz neue Mechanismen der Disziplinierung erforderlich sind: Anstatt in ein Modegeschäft zu gehen, erfordert Schönheitsverhalten zeitaufwändige Trainings- und Diätmaßnahmen, dringt tief unter die Haut und erfordert mehr Kompetenzen - im Sinne von Disziplin und langfristiger Planung.


Jung bleiben: Ein weiterer Aspekt der Schönheitskompetenz besteht darin, jung zu bleiben. Frauen sind diesem Druck immer noch stärker ausgesetzt als Männer. Denn das Alter gilt als der größte Feind der Schönheit und muss mit allen Mitteln bekämpft werden. Die Standards für weibliche Schönheit - jung, schlank, sexy - sind stärker kulturell festgelegt als die für männliche Schönheit und Frauen haben es schwerer, diesen gerecht zu werden. Jedoch sind es nicht nur Frauen, die diesem Jugendkult unterliegen. In Gruppendiskussionen äußern sich schwule Männer ähnlich besorgt über einen Verlust ihrer Attraktivität wie heterosexuelle Frauen - da viele Männer beim ersten Kontakt viel Wert auf das Aussehen legen. Wie viele Frauen klagen sie darüber, dass sie als homosexuelle Männer in jüngeren Jahren schon nicht mehr beachtet werden. Aus Angst davor, ihren Sexappeal aufgrund von Haarausfall zu verlieren, haben Schwule - nicht nur hier kann man sie als Trendsetter für Verhaltensweisen betrachten, die sich auch in der heterosexuellen Männerwelt durchsetzen - den extrem kurzen Haarschnitt oder sogar Glatzenlook kreiert: "Perücken und so etwas sind in der Schwuleszene völlig verpönt. Zumindest bei den jüngeren Leuten. Wenn sie Haarausfall haben oder so, dann würden sie sich eher die Haare ganz kurz schneiden." (Schwuler Volleyballspieler)

Natürlich erscheinen: Es ist wichtig, dass man in Bezug auf Schönheit natürlich wirkt. Natürlichkeit ist zu einem notwendigen Schönheitsideal geworden und die frühere feministische Forderung nach Natürlichkeit wurde auf diese Weise instrumentalisiert - jedoch in einer ganz anderen Art und Weise. In den 1990er Jahren wurde das Make-up "natürlicher", es sollte nicht mehr auffallen. Natürlichkeit ist eine unsichtbare Leistung: Natürlich geschminkt zu sein, ist etwas anderes als ungeschminkt zu sein, denn dabei sieht man, was man nicht getan hat. Friseure und Friseurinnen geben sich viel Mühe, um ihre Kunden absichtlich unordentlich aussehen zu lassen, um den Eindruck von Natürlichkeit zu erwecken. Kompetentes Schönheitshandeln geht also mit der Kompetenz zur Naturalisierung einher. Besonders deutlich wird die Kompetenz zur Naturalisierung bei dem Aufwand, den viele Transsexuelle betreiben, um als das Geschlecht, mit dem sie sich identifizieren, durchzugehen oder zu passen. Transsexuelle werden erst durch unsichtbare Arbeit zu dem, was wir als normale Männer oder Frauen bezeichnen würden. Ihr Handeln in Bezug auf Schönheit ist zwangsläufig, da sie alles, was zur Darstellung von Geschlecht gehört, neu erlernen müssen, und dieses Handeln prägt ihren Körper. Im Erfolgsfall wird nicht nur ihr Handeln in Bezug auf Schönheit unsichtbar und naturalisiert, sondern auch die Konstruktion und Anpassung von Geschlecht. Diese Fähigkeit ist eine alltägliche Naturalisierungskompetenz. Körperlichkeit, Jugendlichkeit und Natürlichkeit - all das wird beim Schönheitshandeln in der Kompetenz zur Naturalisierung gebündelt. Schönheitshandeln ist somit sowohl ein Werkzeug als auch eine Orientierung an gesellschaftlichen Anerkennungsstandards. Schönheitshandeln ist zu einem großen Teil Ideologie. Es gibt jedoch keinen Grund zur kulturkritischen Resignation. Denn auch Inszenierungen, die etwas anderes bedeuten, als sie vorgeben zu bedeuten, bieten die Möglichkeit einer ironischen, subversiven oder spielerischen Aneignung - vor allem von Mitgliedern gesellschaftlicher Subkulturen. Die Ideologie des privaten und frauenspezifischen Schönheitshandelns wird zum Beispiel von einer Gruppe von Transgendern unterlaufen, wenn sie sich damit auseinandersetzt, welche Vorurteile hinter welchen Inszenierungen stecken und wie man sie am effektivsten einsetzt. Und die Ideologie des Schönheitshandelns als Spaß- und Oberflächenphänomen verwandelt sich regelrecht in einen Kult der Innerlichkeit, wenn Menschen in schwarzen Lacken, Gummi und Leder mit Striemen und Narben auf ihrer Haut die gängigen Schönheitsnormen auf den Kopf stellen und neu erfinden. Die Devise "Zeig deine Wunden und finde dich trotzdem schön dabei" macht solche Inszenierungen zu einer Form von Schönheitshandeln, die es ermöglichen soll, auf eine tiefere Ebene jenseits oberflächlicher Inszenierungen vorzudringen. Schönheitshandeln bleibt somit ein identitätsstiftender Akt; es führt zur Selbstfindung.

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